Verhandlungstermin am 18. Oktober 2024 in Sachen V ZR 236/23, 9:00 Uhr und V ZR 128/23, 9:45 Uhr (Änderung des Schlüssels für die Kostenverteilung und die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage durch Mehrheitsbeschluss)
Ausgabejahr 2024
Erscheinungsdatum 10.09.2024
Nr. 178/2024
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf der Grundlage des im Jahr 2020 reformierten Wohnungseigentumsrechts in zwei Verfahren darüber zu entscheiden, ob die Wohnungseigentümer zu Lasten einzelner Wohnungseigentümer eine von der Teilungserklärung abweichende Kostenverteilung beschließen können. Er wird sich dabei voraussichtlich unter anderem mit den Fragen zu befassen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen es ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, bisher von der Übernahme bestimmter Kosten gänzlich befreite Wohnungseigentümer erstmalig an diesen zu beteiligen (V ZR 236/23), und ob auch der Verteilungsschlüssel für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage durch Mehrheitsbeschluss geändert werden kann (V ZR 128/23). Beides war nach dem früheren Recht im Grundsatz nicht zulässig.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 236/23
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Zu der Anlage gehört neben Wohnungen auch eine Garage mit 15 Stellplätzen. Deren Nutzung steht ausschließlich bestimmten Wohnungseigentümern zu, die nach der Teilungserklärung auch die Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle zu tragen haben. Die Klägerin hat kein Nutzungsrecht an einem Stellplatz. Im April 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer, das Flachdach der Garage sanieren zu lassen und die damit verbundenen Kosten auf sämtliche Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile umzulegen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgegeben hat. Nachdem ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist, verfolgt die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Das Landgericht meint, die beschlossene Kostenverteilung weiche von der vereinbarten Regelung ab, indem sie erstmalig auch die Eigentümer ohne Nutzungsrecht mit Kosten für die Garage belaste. Für eine derartige Änderung der Kostenverteilung bestehe keine Beschlusskompetenz. Die im Jahr 2020 neu gefasste Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ermögliche es nicht, bislang von der Kostentragung freigestellte Wohnungseigentümer erstmalig mit Kosten zu belasten.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 128/23
Die Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Teileigentümerinnen von drei Gewerbeeinheiten. Nach der Teilungserklärung aus dem Jahr 1984 ist der Miteigentumsanteil bezogen auf die Grundfläche bei den Wohnungen etwa viermal größer als bei den Gewerbeeinheiten, d.h. ein Hundertstel Miteigentumsanteil entspricht bei den Wohneinheiten etwa 25 m², bei den Gewerbeeinheiten etwa 100 m². Nach der Teilungserklärung werden öffentliche Abgaben, Instandsetzungskosten und Betriebskosten mit Ausnahme der Heizungskosten, die nach Wohnfläche verteilt werden, nach Miteigentumsanteilen umgelegt. Im September 2021 beschlossen die Wohnungseigentümer, die aktuell nach Miteigentumsanteilen umgelegten Kosten zukünftig nach der beheizbaren Wohnfläche zu verteilen und diesen Schlüssel auch für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage anzuwenden.
Gegen diese Beschlussfassung wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgegeben hat. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision wollen die Klägerinnen die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Das Landgericht meint, der Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels sei hinreichend bestimmt. Die Beschlusskompetenz für die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels und des Schlüssels für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage ergebe sich aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG; es handle sich nicht um eine unzulässige generelle Änderung sämtlicher Kosten der Gemeinschaft, sondern um eine Änderung bestimmter Arten von Kosten im Sinne dieser Vorschrift. Die Änderung des Verteilungsschlüssels benachteilige die Klägerinnen als Eigentümerinnen der Gewerbeeinheiten auch nicht unbillig. Denn dafür, dass diese gemessen an der Fläche bisher nur zu etwa einem Viertel an einem großen Teil der Kosten beteiligt worden seien, habe kein sachlicher Grund bestanden.
Vorinstanzen:
V ZR 236/23
AG Clausthal-Zellerfeld - Urteil vom 21. Februar 2023 - 44 C 5/22 (XIII)
LG Braunschweig - Urteil vom 13. Oktober 2023 - 6 S 47/23
und
V ZR 128/23
AG Düsseldorf - Urteil vom 9. Mai 2022 - 290a C 99/21
LG Düsseldorf - Urteil vom 31. Mai 2023 - 25 S 60/22
Die maßgebliche Vorschrift lautet:
§ 16 Abs. 2 WEG:
Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
Karlsruhe, den 10. September 2024
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