Verhandlungstermin am 17. Juni 2021 um 9.00 Uhr in Sachen I ZR 113/20 (Zulässigkeit des Angebots eines Rechtsdokumente-Generators durch einen Verlag)
Ausgabejahr 2021
Erscheinungsdatum 01.02.2021
Nr. 025/2021
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob ein Verlag einen Rechtsdokumente-Generator anbieten darf, der softwaregestützt auf der Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung alternativer Textbausteine individuelle Rechtsdokumente erstellt.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskammer. Die Beklagte betreibt einen Verlag mit Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern. Sie ist nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und besitzt keine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Zu den von ihr vertriebenen Produkten gehört ein an fachfremdes Publikum gerichteter elektronischer Generator für Rechtsdokumente, den sie als "digitale Rechtsabteilung für Ihr Unternehmen" anpreist. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher können entweder im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs Rechtsdokumente, insbesondere Verträge zu diversen Rechtsthemen, erwerben. Hierzu wird der Kunde durch einen Fragen-Antwort-Katalog geführt. Der Erstellungsprozess ist dabei laut Bewerbung durch die Beklagte "dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden". Basierend auf den Angaben des Kunden wird sodann das Dokument inhaltlich individuell erstellt.
Die Klägerin sieht darin - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 3 RDG zu. Die Beklagte erbringe mit ihrem Angebot keine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG. Die Software als solche sei keine "Tätigkeit" eines Dienstleisters. Tätigkeit der Beklagten sei vielmehr das Entwickeln und Bereitstellen der Software. Diese Tätigkeit erfolge jedoch weder in einer konkreten fremden Angelegenheit noch bedürfe sie einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls. Die Benutzung des Programms durch den Anwender in eigener Sache sei der Beklagten nicht als Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit zuzurechnen und erfordere zudem keine rechtliche Prüfung des Einzelfalls, da das Programm nach einer festgelegten Routine ablaufe und ein Sachverhalt lediglich in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 8. Oktober 2019 - 33 O 35/19
OLG Köln - Urteil vom 19. Juni 2020 - 6 U 263/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
§ 2 Abs. 1 RDG
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
§ 3 RDG
Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
Karlsruhe, den 1. Februar 2021
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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