Pressemitteilung 106/2004 des Bundesgerichtshofes
Ausgabejahr 2004
Erscheinungsdatum 20.09.2004
Nr. 106/2004
Abwicklung einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft
in den neuen Bundesländern
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Abwicklung einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in den neuen Bundesländern zu entscheiden. Nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) sind die LPG mit Ablauf des 31. Dezember 1991 automatisch aufgelöst, wenn sie sich nicht vorher in einer vom LwAnpG vorgesehenen Form in eine Genossenschaft oder eine sonstige Gesellschaft nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland umgewandelt hatten. Die LPG, um die es in dem vorliegenden Verfahren geht, hatte Ende 1990 ihr gesamtes Vermögen ungeteilt auf eine von ihr gegründete GmbH & Co. KG übertragen. Das entsprach nicht dem LwAnpG und wurde deshalb vom Bundesgerichtshof im Jahre 1997 für unwirksam erklärt. Danach bestand die LPG als "unerkannte" Liquidationsgesellschaft fort. Tatsächlich wurde der landwirtschaftliche Betrieb aber von der neuen Gesellschaft geführt, die auch schon Grundstücke hinzu erworben hatte. Um diesen Zustand zu bereinigen, schlossen die Liquidatoren der LPG im Jahre 1999 mit der neuen Gesellschaft einen Unternehmenskaufvertrag. Danach sollte das gesamte Vermögen der LPG auf die neue Gesellschaft übergehen, und zwar rückwirkend zum 1. Januar 1991. Als Gegenleistung verpflichtete sich die neue Gesellschaft, sämtliche Schulden der LPG zu übernehmen, den Mitgliedern der LPG die Stellung von Kommanditisten einzuräumen und 40 Arbeitsplätze für die Dauer von 10 Jahren zu erhalten. Dieser Vertrag sollte der Vollversammlung der LPG zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Liquidatoren luden daraufhin alle noch lebenden Mitglieder der LPG, deren Adresse ihnen bekannt war, zu einer Vollversammlung ein. In dieser Versammlung stimmten die Mitglieder dem Vertrag mit großer Mehrheit zu. Der Kläger, der gegen den Beschluß gestimmt hatte, verlangt mit der Klage, daß der Beschluß für nichtig erklärt wird.
Das Oberlandesgericht hatte die Klage abgewiesen. Der Senat hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Den Haupteinwand des Klägers, bei der Liquidation einer LPG sei deren Vermögen grundsätzlich in Geld umzusetzen und jede Abweichung davon bedürfe der Zustimmung sämtlicher LPG-Mitglieder, hat der Senat allerdings nicht gelten lassen. Er hat angenommen, im Rahmen der Abwicklung einer LPG in Liquidation sei es zulässig, das gesamte Vermögen auf eine KG zu übertragen, die dafür die Schulden der LPG übernimmt und deren Mitgliedern Kommanditbeteiligungen einräumt. Die Interessen der damit nicht einverstandenen LPG-Mitglieder seien ausreichend gewahrt, wenn in dem Vertrag vorgesehen sei, daß die Mitglieder von ihrem Vorkaufsrecht und ihrem Recht zur Übernahme einzelner Vermögensgegenstände zum Schätzpreis gem. § 42 Abs. 2 LwAnpG Gebrauch machen könnten.
Auch die Auffassung des Klägers, in der Garantie von nur 40 Arbeitsplätzen sei ein unzulässiger Sondervorteil für einige der LPG-Mitglieder zu sehen, hat der Senat nicht geteilt. Im vorliegenden Fall waren nämlich nur die Arbeitsplätze garantiert worden, nicht auch ihre Besetzung gerade mit ehemaligen Mitgliedern der LPG.
Die Anfechtungsklage hatte aber im Ergebnis doch Erfolg, weil der Kläger behauptet hatte, zu der Vollversammlung der LPG seien nicht alle Mitglieder eingeladen worden. Dazu hat der Senat ausgeführt, nach den allgemeinen Grundsätzen des Verbandsrechts werde eine Vollversammlung nur dann ordnungsgemäß einberufen, wenn entweder sämtliche Mitglieder des Verbandes eingeladen würden oder die Einladung durch Einrücken in öffentliche Blätter bekannt gemacht werde.
Weiter hatte der Kläger mit der Behauptung Erfolg, ihm sei in der Vollversammlung das Wort entzogen worden und er sei gehindert worden, Fragen zu der Bewertung des LPG-Vermögens zu stellen. Auch das wäre ein Verfahrensfehler gewesen, der zur Aufhebung des Beschlusses führen würde.
Da die LPG die Behauptungen des Klägers bestritten hat, muß nun das Oberlandesgericht darüber Beweis erheben.
Urteil vom 20. September 2004 II ZR 334/02
Karlsruhe, den 20. September 2004
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