Der Bundesgerichtshof

I. Zivilsenat: Bundesgerichtshof lockert Rechtsprechung zu Geschenken im Handel

Ausgabejahr 2002
Erscheinungsdatum 13.06.2002

Nr. 59/2002

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in heute verkündeten Urteilen die Grenzen zulässiger Kopplungsangebote neu bestimmt.

In zwei Fällen hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs die gemeinsame Werbung von zwei zum selben Konzern gehörenden Kölner Handelsunternehmen beanstandet. Unter der Überschrift "Der größte Saftladen" wurde dort als Blickfang für ein Fernsehgerät der Marke Grundig geworben, das zum Preis von 1 DM angeboten wurde. Dieses Angebot galt allerdings nur, wenn der Kunde gleichzeitig einen über mindestens zwei Jahre laufenden Stromlieferungsvertrag mit einem neu in den Markt eintretenden Energieunternehmen abzuschließen bereit war. Im dritten Fall hatte die Verbraucherzentrale eine ähnliche Werbung eines Frankfurter Handelsunternehmens beanstandet, in der ein – sonst für 249 DM angebotener – Videorecorder blickfangmäßig unter der Überschrift "Irgendwo besseres Angebot gesehen? Das gibt’s doch gar nicht!" zum Preis von 49 DM angepriesen wurde. Auch hier galt das Angebot nur für den Fall, daß der Kunde gleichzeitig einen über mindestens zwei Jahre laufenden Stromlieferungsvertrag abschloß.

Bis zur Aufhebung der aus dem Jahre 1932 stammenden Zugabeverordnung im Sommer 2001 war es dem Handel untersagt, dem Verbraucher für den Fall des Kaufs einer bestimmten Ware Zugaben zu versprechen und zu gewähren. Parallel dazu hatte die Rechtsprechung die Werbung mit Geschenken unter bestimmten Voraussetzungen als einen Fall der unlauteren Werbung nach § 1 UWG beurteilt. Eine Erwägung dieser auf das Reichsgericht zurückgehenden, in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts weiter ausgebildeten Rechtsprechung war es, daß der Verbraucher von derartigen Angeboten übermäßig angelockt werde und seine Kaufentscheidung nicht mehr unter rationalen Gesichtspunkten treffe. Vor einigen Jahren hatte der Bundesgerichtshof allerdings entschieden, daß das kombinierte Angebot eines geschenkten oder fast geschenkten Mobiltelefons mit einem Netzvertrag weder gegen die Zugabeverordnung noch gegen § 1 UWG verstoße. Maßgeblich dafür war zum einen die Vorstellung, daß die Verbraucher hinreichend aufgeklärt seien, um zu erkennen, daß das Geschenk eines Mobiltelefons durch den Netzvertrag finanziert werde. Zum anderen war von entscheidender Bedeutung, daß es sich um ein einheitliches, eine Funktionseinheit bildendes Angebot (Handy plus Netzzugang) handelte, das auf jeden Fall gekoppelt werden dürfe. Die Kölner Werbung war vom Oberlandesgericht Köln mit der Begründung untersagt worden, zwischen Fernsehgerät und Stromvertrag bestehe keine entsprechende Funktionseinheit. Die Frankfurter Werbung war vom Oberlandesgericht Frankfurt a.M. als zulässig angesehen worden, weil keine Gefahr bestehe, daß die Verbraucher durch dieses Angebot übermäßig angelockt würden.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß der in der Aufhebung der Zugabeverordnung zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers zu respektieren sei. Dies führe dazu, daß Geschenke und Zugaben auch nach § 1 UWG nur noch unter bestimmten engen Voraussetzungen untersagt werden könnten. Die an den Kauf einer bestimmten Ware gebundenen Geschenke seien wie andere Kopplungsangebote auch grundsätzlich zulässig. Doch stecke in derartigen Angeboten ein erhebliches Irreführungs- und Preisverschleierungspotential. Nach wie vor als unlauter zu beurteilen seien daher mißbräuchliche Kopplungsangebote, die sich vor allem dadurch auszeichneten, daß die Verbraucher über den wirklichen Wert des Angebots getäuscht oder zumindest unzureichend informiert würden.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof die angefochtenen Entscheidungen – wenn auch mit anderer Begründung – im wesentlichen bestätigt. In den Kölner Fällen war an der Werbung auszusetzen, daß sie nicht hinreichend deutlich auf die finanziellen Belastungen hinwies, die mit dem Abschluß des Stromlieferungsvertrags verbunden waren. Der BGH hat klar gemacht, daß immer dann, wenn bei einem gekoppelten Angebot der besonders günstige Preis des einen Teils herausgestellt wird, der Preis des anderen Teils ebenfalls deutlich herausgestellt werden muß. Ein Hinweis auf das Kleingedruckte reicht insoweit grundsätzlich nicht aus. Daher wurde die Verurteilung in den beiden Kölner Fällen bestätigt. Die Frankfurter Werbung gab in dieser Hinsicht keinen Anlaß für Beanstandungen. In dem Frankfurter Fall konnte daher die Klageabweisung bestätigt werden.

Urteile des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2002 – I ZR 71/01, I ZR 72/01 und

I ZR 173/01 –

Karlsruhe, den 13. Juni 2002

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Ergänzende Dokumente

Urteil des I. Zivilsenats vom 13.6.2002 - I ZR 173/01 -
Urteil des I. Zivilsenats vom 13.6.2002 - I ZR 71/01 -
Urteil des I. Zivilsenats vom 13.6.2002 - I ZR 72/01 -