Der Bundesgerichtshof

Großer Senat für Strafsachen: Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zum Bandendiebstahl

Ausgabejahr 2001
Erscheinungsdatum 03.04.2001

Nr. 28/2001

Nr. 28/2001

Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat auf Vorlage des 4. Strafsenats die Rechtsprechung zum Bandendiebstahl grundlegend geändert.

Nach § 244 StGB, der dem Dieb für verschiedene besonders gefährliche Fälle des Diebstahls schwerere Strafe androht, wird wegen Bandendiebstahls bestraft, wer "als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

In ihrer bisherigen Rechtsprechung haben alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs unter Bande im Sinne dieser Vorschrift – sowie anderer Bandentatbestände – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch den Zusammenschluß von nur zwei Personen verstanden. Begrenzt wurde der Anwendungsbereich des Tatbestandes vor allem durch die Anforderungen an die Art und Weise des Zusammenwirkens der Bandenmitglieder bei dem Diebstahl. Insofern war nach jüngerer Rechtsprechung erforderlich, daß mindestens zwei Bandenmitglieder bei der Wegnahme der Sache zeitlich und örtlich am Tatort zusammenwirken.

Zu beiden Voraussetzungen - sowohl zur Mindestzahl der Bandenmitglieder als auch zu den Anforderungen an die Mitwirkung der Bandenmitglieder bei der Begehung des Diebstahls - hält der Große Senat für Strafsachen eine Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung für sachgerecht und rechtlich zulässig:

Nach seiner Auffassung setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus. Diese müssen sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein Festhalten an den bislang geltenden strengen Anforderungen an die Art und Weise der Mitwirkung der Bandenmitglieder beim Diebstahl ist nicht geboten. Der Tatbestand des Bandendiebstahls setzt nicht voraus, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder örtlich und zeitlich den Diebstahl zusammen begehen. Es reicht aus, wenn ein Bandemitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die Wegnahmehandlung selbst kann sogar durch einen bandenfremden Täter ausgeführt werden.

Diese Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die besondere Gefährlichkeit bandenmäßig begangener Diebstähle, der das Gesetz durch die erhöhte Strafandrohung begegnen will, kann sich zwar auch darin ausdrücken, daß zwei Bandenmitglieder am Tatort zusammenwirken. Sie kann ihren Grund in gleicher Weise aber auch darin haben, daß die Bandenmitglieder

– unter Umständen jeweils Spezialisten - arbeitsteilig zusammenwirken, etwa dadurch, daß ein Bandenmitglied die Tat in den Einzelheiten plant, ein anderes die erforderlichen Vorbereitungen trifft, zum Bespiel den Tatort auskundschaftet oder die Transportmittel besorgt, ein weiteres die Sache am Tatort wegnimmt (oder durch einen bandenfremden Dritten wegnehmen läßt) und schließlich noch ein anderes die entwendete Sache in Sicherheit bringt. Der Bandenchef einer gerade wegen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens ihrer Mitglieder erfolgreich agierenden Großbande muß nach der Bewertung des Großen Senats für Strafsachen auch dann wegen Bandendiebstahls bestraft werden können, wenn – möglicherweise auf seine Anweisung – am Tatort nur ein Bandenmitglied tätig wird.

In ihrem Zusammentreffen bewirken die beiden Änderungen in der bisherigen Rechtsprechung zum Bandendiebstahl, daß der Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB angemessen neu bestimmt wird. Unter Berücksichtigung der zugleich vorgenommenen Absenkung der (bislang zu hohen) Anforderungen an die Mitwirkungsbeiträge der Bandenmitglieder muß nicht befürchtet werden, daß die Beschränkung des Bandenbegriffs auf den Zusammenschluß von mindestens drei Personen eine Verschlechterung des von der Vorschrift bezweckten Eigentumsschutzes zur Folge hat. Im Gegenteil: Mit Blick auf die Erscheinungsformen der heutigen Bandenkriminalität drohen dem Eigentum weniger von zwei zu gemeinsamem Tun verbundenen Straftätern Gefahren als von größeren Banden, die aufgrund ihrer Möglichkeiten zu organisiertem und arbeitsteilige Vorgehen nicht notwendig mit zwei Bandenmitgliedern am Tatort erscheinen müssen.

Beschluß vom 22. März 2001 - GSSt 1/00

Karlsruhe, den 3. April 2001

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Ergänzende Dokumente

Beschluss des Großer Senats für Strafsachen vom 22.3.2001 - GSSt 1/00 -