3. Strafsenat: Verurteilung eines Funktionärs der türkischen terroristischen Organisation DHKP-C wegen Mordes und versuchter Geiselnahme bestätigt
Ausgabejahr 2001
Erscheinungsdatum 30.03.2001
Nr. 23/2001
Nr. 23/2001
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat den Angeklagten Y. durch Urteil vom 30. November 1999 wegen Mordes und versuchter Geiselnahme zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach den Feststellungen unterstützte der Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger, seit Beginn der 90er Jahre die in der Türkei verbotene linksextremistische Organisation "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke). Nachdem diese sich im Jahre 1993 in zwei fortan miteinander konkurrierende Vereinigungen aufgespalten hatte, wandte er sich dem "Karatas-Flügel" (DHKP-C) zu. Diese Organisation nimmt für sich in Anspruch, einzige legitime Nachfolgerin der "Devrimci Sol" zu sein und führte vor allem im Jahre 1997 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewalttätige Auseinandersetzungen mit Anhängern des verfeindeten Yagan-Flügels. Sie wurde im August 1998 durch Verfügung des Bundesministers des Innern verboten.
Der Angeklagte übernahm alsbald nach seiner Ankunft im Sommer 1996 in Deutschland Führungsaufgaben innerhalb der DHKP-C. Diese finanzierte sich vorwiegend durch Spendenaktionen und den Verkauf der Zeitschrift "Kurtulus", die der Verbreitung der politischen Ideen der DHKP-C diente. An einem Nachmittag des 25. April 1997 scheiterte eine Gruppe von Anhängern der DHKP-C, der unter anderem der Angeklagte angehörte, bei dem Versuch, in einem von einem türkischen Staatsangehörigen betriebenen Imbißlokal in Hamburg die genannte Zeitschrift zu verkaufen. Nachdem der Angeklagte mit zwei Begleitern die Örtlichkeiten des Imbißlokals am frühen Abend näher erkundet und der Deutschland-Verantwortliche der DHKP-C sein Einverständnis erteilt hatte, verübten am späten Abend des selben Tages Anhänger der DHKP-C zur Vergeltung und als Machtdemonstration einen Überfall auf das Imbißlokal. Im Zusammenhang mit diesem Überfall erschoß der Angeklagte, der auf der Straße das Geschehen absicherte, den in seinem Fahrzeug sitzenden Betreiber des Lokals. Im September 1997 versuchte der Angeklagte zusammen mit weiteren DHKP-C-Aktivisten in Hamburg einen Yagan-Sympathisanten vor dessen Wohnung als Geisel zu nehmen. Dies schlug fehl, weil es dem Tatopfer rechtzeitig gelang, sich dem Zugriff zu entziehen.
Der Angeklagte, der eingeräumt hat, aktives Mitglied der DHKP-C zu sein, die Straftaten aber bestreitet, rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht u.a. geltend, er sei bereits durch das Landgericht Hamburg wegen Vorbereitung des Überfalls am 25. April 1997 auf das Lokal bestraft worden und dürfe deswegen nicht mehr erneut wegen dieses Geschehens verurteilt werden. Er beanstandet ferner, daß die Feststellungen zu dem Tötungsgeschehen auf der unzulässigen Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes (G 10) beruhen.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision verworfen. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß kein Verfahrenshindernis besteht, da die Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen durch das Landgericht Hamburg am 11. November 1997 die Strafklage wegen Mordes nicht verbraucht hat. Das frühere Verfahren vor dem Landgericht Hamburg hatte – bei der vom Senat für erforderlich gehaltenen einschränkenden Bewertung - hinsichtlich der Person des Angeklagten einen anderen Lebenssachverhalt zum Gegenstand, nämlich die Vorfälle am Nachmittag und das Ausspähen des Lokals am frühen Abend, als das jetzige Verfahren vor dem Oberlandesgericht. Bei diesem auf der Anklage des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 1998 beruhenden Verfahren sind erstmals die Ereignisse um das Tötungsgeschehen am späten Abend des 25. April 1997 Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung gegen den Angeklagten gewesen. Der 3. Strafsenat hat auch die von der Revision gegen die Verwertung von Erkenntnissen aus drei Telefongesprächsmitschnitten erhobenen Bedenken nicht geteilt. Die nach Auffassung des Senats engen rechtlichen Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt für Verfassungsschutz aus Abhörmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz gewonnene Erkenntnisse an den Generalbundesanwalt als Strafverfolgungsbehörde weitergeben darf, sind erfüllt. Auch mit ihren übrigen verfahrens- und sachlichrechtlichen Beanstandungen hat die Revision keinen Erfolg.
Urteil vom 30. März 2001 - 3 StR 342/00
Karlsruhe, den 30. März 2001
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Ergänzende Dokumente
Urteil des 3. Strafsenats vom 30.3.2001 - 3 StR 342/00 -
Beschluss des 3. Strafsenats vom 13.9.2000 - 3 StR 342/00 -