II. Zivilsenat: Bundesgerichtshof zur Unwirksamkeit einer Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsklausel
Ausgabejahr 2000
Erscheinungsdatum 03.04.2000
Nr. 20/2000
Nr. 20/2000
Gegenstand des Rechtsstreits war eine Klage, mit der sich ein Mitglied des Vereins für Deutsche Schäferhunde e.V., der nach seiner Satzung "der zuchtbuchführende Rassezuchtverein für den deutschen Schäferhund" ist, gegen eine über ihn im Jahre 1996 verhängte Vereinsstrafe wendete. Im Prozeß berief sich der beklagte Verein darauf, daß nach seiner Satzung Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm und seinen Mitgliedern unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs vor den staatlichen Gerichten durch ein privates Schiedsgericht zu entscheiden seien. Beide Vorinstanzen (Landgericht Augsburg und Oberlandesgericht München) hatten deshalb die Klage als unzulässig abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Nach Ansicht des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der den Fall noch nach den alten, mit Wirkung ab 1. Januar 1998 geänderten Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Schiedsgerichtsverfahren zu entscheiden hatte, ist es zwar nicht ein für alle mal ausgeschlossen, eine Schiedsgerichtsklausel für mitgliedschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern auch in einer Vereins- oder Verbandssatzung vorzusehen. Das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten und das Recht auf den gesetzlichen Richter haben jedoch, wie das Urteil ausführt, Verfassungsrang. Aus diesem Grunde muß die Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsklausel und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtsprechungsorgans grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen. An dieser Freiwilligkeit fehlte es in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall: die Schiedsgerichtsklausel war erst während der vorprozessualen Auseinandersetzung der Parteien kurze Zeit vor Erhebung der Klage ohne Zustimmung des Klägers durch satzungsändernden Mehrheitsbeschluß der Mitgliederversammlung nachträglich in die Satzung des Beklagten eingefügt worden.
Dem Kläger hätte es zwar, wenn er mit der beschlossenen Änderung der Satzung nicht einverstanden war, rechtlich freigestanden, den Verein durch Austritt zu verlassen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wäre dem Kläger ein solcher Schritt aber nicht zumutbar gewesen. Der beklagte Verein gehört nämlich auf Grund der ihm durch das geltende Tierzuchtrecht zugewiesenen Stellung zu den sog. sozial mächtigen Verbänden. Der Kläger war, wenn er seine züchterische Tätigkeit fortsetzen wollte, auf die Mitgliedschaft in dem beklagten Verein angewiesen. Durch einen Vereinsaustritt hätte er sich noch über die gegen ihn als Vereinsstrafe verhängte zeitlich befristete Sperre hinaus dauerhaft für die Zukunft der Möglichkeit begeben, Deutsche Schäferhunde als Rassehunde zu züchten, mit ihnen an Meisterschaften teilzunehmen und sie auf Ausstellungen vorzuführen.
Bei dieser Sachlage konnte es der Bundesgerichtshof offen lassen, ob die Möglichkeit des Vereinsaustritts die erforderliche Freiwilligkeit der Unterwerfung unter eine satzungsmäßige Schiedsgerichtsklausel ersetzen kann, wenn das Mitglied anders als der Kläger auf die Aufrechterhaltung seiner Mitgliedschaft nicht angewiesen ist, weil es sich um einen Verein handelt, dem eine solche soziale oder wirtschaftliche Bedeutung nicht zukommt.
Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 373/98
Karlsruhe, den 3. April 2000
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