Der Bundesgerichtshof

Terminhinweise

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Verhandlungstermin am 27. Juni 2024 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 139/23, I ZR 140/23, I ZR 141/23 (urheberrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Abbildungen einer Fototapete)

Datum: 27.06.2024
Akkreditierungsschluss: 26.06.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren zu entscheiden, ob die Nutzung von Abbildungen einer Fototapete im Internet die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotografien verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das Nutzungsrechte an Fotos lizenziert.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 139/23 erwarb über eine Internetseite eine Fototapete, auf der eine Fotografie abgedruckt ist, an der die Klägerin Rechte beansprucht. Die Beklagte ließ die Tapete an einer Wand in ihrem Haus anbringen, die in mehreren Videobeiträgen auf ihrem Facebook-Auftritt zu sehen war.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 140/23 stellte ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines von ihrem Ehemann betriebenen Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin Rechte beansprucht.

Der Beklagte im Verfahren I ZR 141/23 verwendete eine Fototapete mit einem Bildmotiv, an dem die Klägerin Rechte beansprucht, als Wandtapete in einem Zimmer des von ihm betriebenen Hotels. Die Wandtapete ist auf einem Foto abgebildet, mit dem der Beklagte seine Dienstleistungen auf Hotelportalen im Internet bewirbt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Verwendung der Fototapeten im Internet verletze die ihr nach ihrer Darstellung vom Fotografen übertragenen Rechte an den auf den Tapeten abgedruckten Fotografien. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sowie im Verfahren I ZR 141/23 zusätzlich auf Auskunft über den Umfang der Verwendung der Fotografie in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2, §§ 16, 19a UrhG noch ein Auskunftsanspruch noch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG zu. Eingriffe in urheberrechtliche Nutzungsrechte schieden aus, weil die Beklagten mit dem Erwerb des Sacheigentums an den Fototapeten zugleich durch schlüssiges Verhalten ein einfaches Nutzungsrecht erworben hätten. Dieses berechtige sie, in dem Raum, in dem die Tapeten angebracht worden seien, Lichtbilder oder Videos der Tapeten mit den darauf abgedruckten Fotografien anzufertigen und diese zu vervielfältigen und öffentlich zugänglich zu machen. Die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Verletzungshandlung sei zudem durch eine schlüssig erklärte Einwilligung des Rechteinhabers ausgeschlossen. Jedenfalls stehe den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Ansprüche könnten auch nicht aus einer Verletzung des Urheberbenennungsrechts aus § 13 UrhG hergeleitet werden, weil der Fotograf im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten durch schlüssiges Verhalten auf dieses Recht verzichtet habe.

Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 139/23
AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 65/22
LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 23/22

im Verfahren I ZR 140/23
AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 62/22
LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 24/22

im Verfahren I ZR 141/23
AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 64/22
LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 25/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 UrhG

Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.

§ 16 UrhG

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. […]

§ 19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 97 UrhG

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. […]

§ 97a UrhG

[…]
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. […]

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 27. Juni 2024 um 9:00 Uhr in Sachen I ZR 143/23 (Anforderungen an die Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung)

Datum: 27.06.2024
Akkreditierungsschluss: 26.06.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob es bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung neben der Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums der Kundenbewertungen auch einer Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen bedarf.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite die Vermittlung von Immobilienverkäufern an Immobilienmakler an. Sie warb unter anderem mit durchschnittlichen Sternebewertungen ihrer Kunden, ohne Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen, zum Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen und zur Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen zu machen.

Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung zu werben, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl und den Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen zu nennen. Das von der Klägerin ebenfalls beantragte Verbot der Werbung ohne Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, bei der von der Klägerin begehrten Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen handele es sich, anders als bei der Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums der Kundenbewertungen, nicht um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG. Ihr komme neben der Angabe der durchschnittlichen Sternebewertungszahl kein erhebliches Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu. Dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher sei bekannt, dass einer durchschnittlichen Sternebewertungszahl in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde lägen und die Bewertungen - zum Teil erheblich - divergierten. Auch bei einer guten Durchschnittszahl werde es in aller Regel einzelne schlechte und sehr schlechte Bewertungen geben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 16. September 2022 - 315 O 160/61
OLG Hamburg - Urteil vom 21. September 2023 - 15 U 108/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]

§ 5a UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irre-führt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. […]

§ 8 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. […]
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
[…]
2. denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. Juni 2024, 9:00 Uhr, Saal H 123 in Sachen I ZR 98/23 (Zulässigkeit der Werbung mit dem Begriff "klimaneutral") (Verhandlung: 18.4.2024)

Datum: 27.06.2024
Akkreditierungsschluss: 26.06.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" zulässig ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz herstellt. Die Produkte sind im Lebensmitteleinzelhandel, an Kiosken und an Tankstellen erhältlich. Die Beklagte warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: "Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral" und einem Logo, das den Begriff "klimaneutral" zeigt. Der Herstellungsprozess der Produkte der Beklagten läuft nicht CO2-neutral ab. Die Beklagte unterstützt indes über ein Umweltberatungsunternehmen Klimaschutzprojekte und weist in der Werbung auf diese Kooperation hin.

Der Kläger hält die Werbeaussage für irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG wegen Irreführung zu. Die Leser der Fachzeitung verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen, da ihnen bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 1 und 3 UWG sowie § 5a Abs. 1 und 2 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF) wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde. Zwar sei diese Information wesentlich. Die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen lasse sich aber über die Internetseite des Kooperationspartners erlangen, die in der Werbeanzeige angegeben sei und mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Codes aufgerufen werden könne. Dies sei Lesern der Fachzeitung auch zumutbar.

Das Berufungsgericht hat die Revision, mit der der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgt, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Vorinstanzen:

LG Kleve - Urteil vom 22. Juni 2022 - 8 O 44/21
OLG Düsseldorf - Urteil vom 6. Juli 2023 - I-20 U 152/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 5 Abs. 1 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 5a Abs. 1 und 3 UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. […]
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie
2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.

§ 5a Abs. 1 und 2 UWG aF

(1) Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen.
(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Als Vorenthalten gilt auch
1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,
2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise,
3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen. […]

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 27 Juni 2024, 12.00 Uhr, in Sachen I ZR 90/23 (Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten)

Datum: 27.06.2024
Akkreditierungsschluss: 26.06.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten, der im Inland nicht über die hierfür erforderliche Konzession der zuständigen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss.

Von dem Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 53/23, das der Senat ausgesetzt hat, unterscheidet sich diese Sache maßgeblich dadurch, dass Gegenstand hier nicht Online-Pokerspiele sind, die dem Totalverbot des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) unterlagen, sondern Online-Sportwetten, für die der beklagte Veranstalter eine Konzession nach § 4 Abs. 5, §§ 4a, 10a GlüStV 2012 beantragt hatte (vgl. auch die Pressemitteilung vom heutigen Tag zum Verfahren I ZR 53/23).

Sachverhalt:

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet im Internet über eine deutschsprachige Webseite Sportwetten an. Der Kläger nahm von 2013 bis 2018 an Sportwetten der Beklagten teil. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten der deutschen Behörde. Die Beklagte hatte eine solche Konzession beantragt. Auf Antrag der Beklagten verpflichtete das Verwaltungsgericht Wiesbaden die zuständige Behörde, der Beklagten die Konzession zu erteilen (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 31. Oktober 2016 - 5 K 1388/14.WI). Dies erfolgte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020.

Der Kläger macht die Unzulässigkeit der Sportwetten sowie die Unwirksamkeit der Wettverträge geltend. Er behauptet, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit seiner Klage hat er von der Beklagten Rückzahlung der an sie geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 3.719,26 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Die Beklagte habe die Zahlungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil die Verträge über Sportwetten wirksam seien. Die Beklagte habe zwar gegen § 4 Abs. 1 sowie gegen § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstoßen. Daraus resultiere jedoch keine Nichtigkeit der Verträge gemäß § 134 BGB. Der einseitige Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führe nur zur Nichtigkeit, wenn der Gesetzeszweck anders nicht zu erreichen sei und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden dürfe. Davon könne nicht ausgegangen werden, denn die Beklagte habe eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 beantragt und die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllt. Das Fehlen der Erlaubnis sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass die Durchführung des Konzessionsverfahrens unionsrechtswidrig gewesen sei. In dieser Konstellation sei weder eine strafrechtliche Ahndung des Verstoßes noch eine verwaltungsrechtliche Untersagung der Veranstaltung von Sportwetten möglich gewesen. Zivilrechtlich führe dies dazu, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags nicht zur Nichtigkeit der Wettverträge nach § 134 BGB führe.

Ein Anspruch des Klägers folge auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB. § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 und § 284 StGB kämen unter den genannten Voraussetzungen nicht als Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Vorinstanzen:

AG Geislingen an der Steige - Urteil vom 28. April 2022 - 3 C 459/21
LG Ulm - Urteil vom 24. Mai 2023 - 1 S 46/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 GlüStV 2012

(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.
(…)
(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.
(5) Abweichend von Absatz 4 können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlauben, wenn keine Versagungsgründe nach § 4 Abs. 2 vorliegen und folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (…)

§ 134 BGB

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 284 Abs. 1 StGB

Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 27. Juni 2024 um 11:00 Uhr in Sachen I ZR 168/23 (Reichweite des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs)

Datum: 27.06.2024
Akkreditierungsschluss: 26.06.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch eines Verbraucherverbands die Rückzahlung aufgrund unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen einbehaltener Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher umfasst.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Dachverband deutscher Verbraucherzentralen. Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Zur Bezahlung auf dem Festivalgelände konnten die Besucher ein Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen. Der Beklagte bot eine Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge gemäß seiner wie folgt lautender Nutzungsbedingungen an: "Bei der Auszahlung des restlichen Guthabens nach dem Festival durch das Eventportal wird eine Rückerstattungsgebühr von 2,50 € fällig."

Der Kläger hält die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr für unlauter und nimmt den Beklagten auf Rückzahlung der einbehaltenen Gebühren an die betroffenen Verbraucher in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der durch den Beklagten einbehaltenen Gebühren an die betroffenen Verbraucher zu. Die Klausel über die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr sei zwar als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da der Beklagte mit der Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge keine eigenständige vergütungsfähige Leistung erbringe, sondern eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung erfülle. Die Verwendung der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung stelle auch eine unlautere geschäftliche Handlung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 3 Abs. 1, § 3a UWG dar. Der im Grundsatz bestehende (Folgen-)Beseitigungsanspruch des Klägers gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erstrecke sich jedoch nicht auf die Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Geldbeträge an die Verbraucher. Der wettbewerbsrechtlich relevante Störungszustand liege in einer Fehlvorstellung der Verbraucher über den Vertragsinhalt; er werde beendet, wenn diese über ihr Recht zur Rückforderung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge in Kenntnis gesetzt würden. Eine solche Information der betroffenen Verbraucher habe der Kläger aber nicht beantragt. Die begehrte Rückzahlung berühre hingegen nicht die vom Schutzzweck des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs umfassten Kollektivinteressen der Verbraucher, sondern falle unter den Schutzzweck individueller Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Nicht anders verhalte es sich, soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine Irreführung der Verbraucher stütze.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Rostock - Urteil vom 15. Dezember 2020 - 3 O 1091/19
OLG Rostock - Urteil vom 15. November 2023 - 2 U 15/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]
3. den qualifizierten Verbraucherverbänden, die in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, und den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 409 vom 4.12.2020, S. 1) eingetragen sind, […]

§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […].

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 9. Juli 2024, 9.00 Uhr, Saal N010, in Sachen XI ZR 40/23 und XI ZR 44/23 - (Musterfeststellungsklagen zur Bestimmung des Referenzzinssatzes für Prämiensparverträge)

Datum: 09.07.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird im Rahmen von zwei Musterfeststellungsklagen über den Referenzzinssatz für die Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen zu entscheiden haben.

Sachverhalt:

Die Musterkläger in beiden Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherschutzverbände. Die beklagten Sparkassen schlossen in den Jahren 1993 bis 2006 bzw. in der Zeit vor Juli 2010 mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen.

Prozessverlauf:

Die Musterkläger halten die Regelungen in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Sie begehren mit ihren Musterfeststellungsklagen u.a. die Bestimmung eines Referenzzinssatzes, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist. Der Musterkläger in dem Verfahren XI ZR 44/23 möchte darüber hinaus festgestellt wissen, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung bezieht, die höchstrichterlich festgelegt worden sind.

Beide Oberlandesgerichte haben jeweils mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass die Musterbeklagten jeweils verpflichtet sind, die Zinsanpassungen in den Sparverträgen auf der Grundlage der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WU9554) vorzunehmen. Hinsichtlich der vom Musterkläger in dem Verfahren XI ZR 44/23 begehrten verjährungsrechtlichen Feststellung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Die Musterkläger verfolgen ihre Feststellungsziele mit der Revision jeweils weiter, soweit die Oberlandesgerichte die Klagen abgewiesen haben. Sie möchten insbesondere die Feststellung erreichen, dass die Zinsanpassungen auf der Grundlage von gleitenden Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre der Umlaufsrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WX4260) vorzunehmen sind.

Der XI. Zivilsenat wird über die beiden Revisionen der Musterkläger am 9. Juli 2024 verhandeln.

Vorinstanzen:

XI ZR 40/23:

Oberlandesgericht Naumburg – Urteil vom 8. Februar 2023 – 5 MK 1/20

und

XI ZR 44/23:

Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 22. März 2023 – 5 MK 1/22

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 10. Juli 2024 um 12.30 Uhr in Sachen VIII ZR 184/23 (Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch) (Verhandlung: 8.5.2024)

Datum: 10.07.2024
Akkreditierungsschluss: 09.07.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Aufrechnung des Vermieters mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters.

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt nach Beendigung des Wohnungsmietvertrags am 8. November 2019 die Rückzahlung der von ihr geleisteten Barkaution in Höhe von rund 780 €. Der beklagte Vermieter rechnete mit Schreiben vom 20. Mai 2020 über die Kaution ab und erklärte die Aufrechnung mit - streitigen - Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache in einer das Kautionsguthaben übersteigenden Höhe. Die Klägerin hat sich insoweit auf Verjährung berufen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheitere die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache daran, dass diese Ansprüche im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bereits verjährt gewesen seien.

Zwar stehe die Verjährung der Aufrechnung gemäß § 215 BGB nicht entgegen, wenn die Forderung in dem Zeitpunkt, in dem erstmals habe aufgerechnet werden können, noch nicht verjährt gewesen sei. Diese Ausnahme greife vorliegend jedoch nicht ein, da eine Aufrechnungslage in unverjährter Zeit mangels Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht bestanden habe.

Der Anspruch auf Rückzahlung einer Barkaution als Geldforderung und der auf Naturalrestitution gerichtete Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache seien nicht gleichartig. Zwar könne der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Naturalrestitution den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen und so die Gleichartigkeit der Forderungen herstellen. Dies erfordere jedoch die Ausübung der dem Gläubiger zustehenden Ersetzungsbefugnis noch innerhalb der Verjährungsfrist.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Erlangen - 1 C 302/21 - Urteil vom 7. Juli 2022
LG Nürnberg-Fürth - 7 S 3897/22 - Urteil vom 25. Juli 2023

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 215 BGB

Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.

§ 249 BGB

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. […]

§ 387 BGB

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

§ 548 BGB

(1) Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 11. Juli 2024 um 9.00 Uhr in Sachen I ZR 67/23 (Urheberrechtliche Zulässigkeit von Bildaufnahmen mittels einer Drohne)

Datum: 11.07.2024
Akkreditierungsschluss: 10.07.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob unter Zuhilfenahme einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken der Panoramafreiheit unterfallen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag, in dem sie Führer zu Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen verschiedener Kunstinstallationen auf Bergehalden. Die Schöpfer dieser Installationen haben Wahrnehmungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Publikationen der Beklagten verletzten die an den Installationen bestehenden Urheberrechte, weil die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Schadensersatz herabgesetzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Bei den Installationen handele es sich um Werke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Durch die Veröffentlichung der Luftbildaufnahmen dieser Werke habe die Beklagte in das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht gemäß §§ 16, 17 UrhG eingegriffen. Der Eingriff sei nicht durch die Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG (Panoramafreiheit) gedeckt. Danach seien nur Aufnahmen aus Perspektiven zulässig, die sich den Augen eines Menschen von allgemein zugänglichen öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus böten. Die Perspektive mittels einer Drohne aus dem Luftraum sei davon nicht erfasst, weil der Mensch den Luftraum allein mit seinen naturgegebenen Fortbewegungsmöglichkeiten ohne technische Hilfsmittel nicht erreichen könne.

Die Beklagte verfolgt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Bochum - Urteil vom 18. November 2021 - I-8 O 97/21
OLG Hamm - Urteil vom 27. April 2023 - I-4 U 247/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: […]
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; […]

§ 16 UrhG

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. […]

§ 17 UrhG

(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. […]

§ 59 UrhG

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. […]

§ 97 UrhG

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. […]

Karlsruhe, den 5. März 2024

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 16. Juli 2024 um 11.00 Uhr in Sachen II ZR 71/23 (Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH) (Verhandlung: 4.6.2024)

Datum: 16.07.2024
Akkreditierungsschluss: 15.07.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der u.a. für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Beschluss über die Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH nichtig ist.

Sachverhalt:

Alleingesellschafter der beklagten Hannover 96 Management GmbH ist der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. Der Kläger Martin Kind ist im Handelsregister als Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die die am Spielbetrieb der 2. Fußballbundesliga teilnehmende Fußballmannschaft Hannover 96 unterhält. Kommanditaktionärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG. Nach der Satzung der Beklagten ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig. In einem sogenannten Hannover-96-Vertrag zwischen dem Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ist vorgesehen, dass der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ändert, ergänzt oder ersetzt.

Im Juli 2022 fassten Vertreter des Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten den Beschluss, den Kläger „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer“ der Beklagten abzuberufen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit seiner gegen die Beklagte gerichteten Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass dieser Beschluss über seine Abberufung nichtig ist. Das Landgericht Hannover hat der Klage stattgegeben und die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen. Der Beschluss sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil er mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar sei. Er sei nicht vom Aufsichtsrat der Beklagten und damit kompetenzwidrig gefasst worden, was unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge habe. Die Kompetenzüberschreitung erschöpfe sich nicht in dem Verstoß gegen die Satzung der Beklagten. Vielmehr trete auch ein Verstoß gegen den Hannover-96-Vertrag hinzu. Überdies sei der Abberufungsbeschluss sittenwidrig und damit analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Er erweise sich als in besonderem Maße treuwidrig, weil sich der Alleingesellschafter seiner im Hannover-96-Vertrag eingegangenen Bindung bewusst gewesen sei und er die satzungsmäßige Kompetenzverteilung bewusst unterlaufen habe.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision (Pressemitteilung Nr. 41/2024 vom 29. Februar 2024) verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Hannover - Urteil vom 11. Oktober 2022 - 32 O 119/22
OLG Celle - Beschluss vom 4. April 2023 - 9 U 102/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 241 Nr. 3 und 4 AktG:

Ein Beschluß der Hauptversammlung ist (…) nur dann nichtig, wenn er
(…)
3. mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind,
4. durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt,
(…).

Karlsruhe, den 13. März 2024

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 19. Juli 2024, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 139/23 (Beteiligung des obsiegenden Anfechtungsklägers an den Prozesskosten der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer?) (Verhandlung: 17.5.2024)

Datum: 19.07.2024
Akkreditierungsschluss: 18.07.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Verfahren darüber zu entscheiden, ob Wohnungseigentümer nach einer erfolgreichen Beschlussanfechtung an den der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auferlegten Prozesskosten beteiligt werden dürfen. Dabei wird sich der V. Zivilsenat voraussichtlich mit den praxisrelevanten Fragen zu befassen haben, ob nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung - anders als nach § 16 Abs. 8 WEG a.F. - derartige Prozesskosten zu den gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG auf alle Wohnungseigentümer umzulegenden Verwaltungskosten gehören und ob es ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, den obsiegenden Anfechtungskläger bei der Umlage der Verwaltungskosten an den Prozesskosten zu beteiligen.

Sachverhalt

Die drei Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümerinnen jeweils einer der insgesamt acht Wohnungseigentumseinheiten. In der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden.

Im Jahr 2021 fochten die Klägerinnen bei dem Amtsgericht Rostock einen von den Eigentümern gefassten Beschluss an (im Folgenden: Vorprozess). Das Amtsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dazu, die Kosten des Vorprozesses zu tragen. Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, diese Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte je Wohnungseigentumseinheit ein Betrag in Höhe von 799,21 € gezahlt werden, mithin auch von jeder der Klägerinnen.

Bisheriger Prozessverlauf

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, die vor dem Amtsgericht zunächst keinen Erfolg gehabt hat. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Nach Auffassung des Landgerichts widerspricht der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage ordnungsmäßiger Verwaltung. Zum einen stehe er in Widerspruch zu der Gemeinschaftsordnung. Diese sei dahin auszulegen, dass ein obsiegender Anfechtungskläger im Rahmen der Umlage der Verwaltungskosten nicht entgegen der Kostengrundentscheidung des Vorprozesses an den von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu tragenden Prozesskosten beteiligt werden dürfe. Zum anderen entspreche der Beschluss auch deswegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil den Eigentümern bei der Beschlussfassung die Möglichkeit einer anderen Kostenverteilung nicht bewusst gewesen sei.

Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung eine der Klägerinnen beantragt, will die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erreichen, dass die Anfechtungsklage abgewiesen wird. Sie macht unter anderem geltend, aus der Gemeinschaftsordnung ergebe sich keine besondere Regelung für Prozesskosten. Nach der daher anzuwendenden gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG seien - anders als nach § 16 Abs. 8 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung - die Kosten des Vorprozesses Teil der Verwaltungskosten und mithin auf alle Wohnungseigentümer unter Einschluss der obsiegenden Anfechtungsklägerinnen umzulegen.

Vorinstanzen:

AG Rostock - Urteil vom 31. August 2022 - 54 C 13/22 WEG
LG Rostock - Urteil vom 16. Juni 2023 - 9 S 109/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 16 Abs. 2 WEG lautet:

Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

§ 16 Abs. 8 WEG a.F. lautet:

Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 43 gehören nur dann zu den Kosten der Verwaltung im Sinne des Absatzes 2, wenn es sich um Mehrkosten gegenüber der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts aufgrund einer Vereinbarung über die Vergütung (§ 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 6) handelt.

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 25. Juli 2024 um 11:00 Uhr in Sachen I ZR 135/23 (Zulässigkeit von Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort an Herausgeber und Förderungsfonds - Herausgeberanteil)

Datum: 25.07.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob die Verwertungsgesellschaft Wort berechtigt ist, Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber zu beteiligen.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist die im Jahr 1958 gegründete Verwertungsgesellschaft Wort. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Wortautoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren und deren Verlegern wahr.

Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat sich zudem die Rechte eines Autors von Sachbüchern (im Folgenden: Zedent) abtreten lassen. Der Kläger hat mit der Beklagten im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, der Zedent im Jahr 1993. Darin haben sie der Beklagten die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung zur Wahrnehmung übertragen.

Der Kläger wendet sich aus eigenem und abgetretenem Recht dagegen, dass die Beklagte Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans und ihrer Satzung an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber beteiligt und dadurch den Anteil des Klägers und des Zedenten an diesen Einnahmen schmälert.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Feststellungsanträge in vollem Umfang stattgegeben und die begehrte Auskunft teilweise zugesprochen.

Das Oberlandesgericht hat die Klage nur hinsichtlich der an den Kläger abgetretenen Ansprüche als begründet angesehen und sie im Übrigen abgewiesen. Die im Verteilungsplan und der Satzung der Beklagten vorgesehene Beteiligung von Herausgebern und ihres Förderungsfonds Wissenschaft sei als unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit dem wesentlichen Grundgedanken des bis zum 31. Mai 2016 geltenden § 7 Satz 1 UrhWahrnG sowie des seither geltenden § 27 Abs. 1 VVG unvereinbar sei. Danach habe die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte zu verteilen.
Die Ausschüttungsregelung für Herausgeber sei zu weit gefasst, spiegele die Schutzvoraussetzungen für Sammelwerke gemäß § 4 Abs. 1 UrhG sowie für wissenschaftliche Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke oder Texte im Sinne von § 70 UrhG nicht ausreichend wider und lasse Ausschüttungen auch an Nichtberechtigte zu.

Die Beteiligung des Förderfonds Wissenschaft der Beklagten sei nicht durch die Befugnis des § 32 Abs. 2 VVG gedeckt, wonach die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen einrichten solle, weil auch diese Vorschrift Zahlungen lediglich an Berechtigte, nicht aber Dritte gestatte, und nicht sichergestellt sei, dass der Förderfonds Wissenschaft lediglich Zahlungen an Berechtigte vornehme.
Die Klage sei allerdings nur hinsichtlich der Ansprüche des Zedenten begründet, weil im von der Klage erfassten Zeitraum lediglich dieser, nicht jedoch der Kläger Ausschüttungen von der Beklagten erhalten habe.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Die Beklagte möchte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 4. Oktober 2021 - 42 O 13841/19
OLG München - Urteil vom 27. Juli 2023 - 29 U 7919/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder […]

§ 7 Satz 1 UrhWahrnG (in Kraft bis zum 31. Mai 2016)

Die Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln (Verteilungsplan) aufzuteilen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung ausschließen. […]

§ 27 Abs. 1 VGG (in Kraft ab dem 1. Juni 2016)

(1) Die Verwertungsgesellschaft stellt feste Regeln auf, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten ausschließen (Verteilungsplan). […]

§ 32 VGG

[…]
(2) Die Verwertungsgesellschaft soll Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten. […]

§ 4 UrhG

(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt. […]

§ 70 UrhG

(1) Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke oder Texte werden in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Teils 1 geschützt, wenn sie das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tätigkeit darstellen und sich wesentlich von den bisher bekannten Ausgaben der Werke oder Texte unterscheiden. […]

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 25. Juli 2024 um 9.00 Uhr in Sachen I ZR 131/23 (urheberrechtliche Zulässigkeit eines Werbeblockers)

Datum: 25.07.2024
Akkreditierungsschluss: 24.07.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über urheberrechtliche Ansprüche wegen des Vertriebs eines Werbeblockers zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Verlagshaus. Sie ist Pächterin mehrerer Online-Portale. Die Beklagte zu 1 vertreibt ein Plug-in für Webbrowser, das der Unterdrückung von Werbeanzeigen auf Webseiten dient. Die Beklagten zu 2 bis 4 waren Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

Die Klägerin macht - soweit für das Verfahren noch von Bedeutung - geltend, bei der Programmierung ihrer Webseiten handele es sich um Computerprogramme im Sinne des § 69a Abs. 1 UrhG, an denen ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden.
Bei Aufruf der Webseiten durch den Webbrowser wird die HTML-Datei in den Arbeitsspeicher auf dem Endgerät des Nutzers übertragen. Zur Anzeige der HTML-Datei interpretiert der Webbrowser ihren Inhalt, wobei er zusätzliche Datenstrukturen anlegt. Die Klägerin sieht in der Beeinflussung dieser Datenstrukturen durch den Werbeblocker eine unberechtigte Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat - soweit für das Verfahren noch von Interesse - ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Dateien, die beim Webseitenaufruf an den Nutzer übermittelt würden, als Computerprogramm nach § 69a UrhG geschützt seien und die Klägerin über ausschließliche Nutzungsrechte verfüge. Die vom Werbeblocker erzeugten Vorgänge nach der Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher stellten keine Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG dar. Die Beeinflussung des Programmablaufs durch externe Befehle sei ohne Veränderung der Programmsubstanz oder Herstellung einer abgeänderten Vervielfältigung keine Umarbeitung des Programms. Der Werbeblocker wirke lediglich auf die vom Browser erzeugten Datenstrukturen ein, die im Rahmen der Darstellung des HTML-Dokuments als temporäres Zwischenergebnis bei Ausführung der Webseitenprogrammierung berechnet würden. Dies sei nur ein Eingriff in den Programmablauf und nicht in die Programmsubstanz.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche wegen der behaupteten Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 14. Januar 2022 - 308 O 130/19 - GRUR-RR 2022, 253
OLG Hamburg - Urteil vom 24. August 2023 - 5 U 20/22 - GRUR 2023, 1688

Die maßgeblichen Vorschriften lauten auszugsweise:

§ 69a Abs. 1 und 2 UrhG

(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt. […]

§ 69c Nr. 2 UrhG

Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: […]
2. die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt; […]

Akkreditierungsbedingungen


Hauptverhandlung des Bundesgerichtshofs am 31. Juli 2024, 10.00 Uhr in Sachen 5 StR 326/23 über die Revision einer ehemaligen Zivilangestellten im Konzentrationslager Stutthof im Reichsgerichtsgebäude (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts)

Datum: 31.07.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Bei dem in Leipzig ansässigen 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist die Revision einer 98 Jahre alten ehemaligen Zivilangestellten der SS anhängig, die sich gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und versuchtem Mord in fünf Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von zwei Jahren wendet. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, einen Termin zur Revisionshauptverhandlung zu bestimmen, weil die Revision der Angeklagten grundsätzliche Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord durch die Dienstverrichtung in einem Konzentrationslager, das nicht zugleich ein reines „Vernichtungslager“ gewesen sei, aufwerfe (siehe Pressemitteilung Nr. 18/2024).

Der Bundesgerichtshof wird am 31. Juli 2024, 10.00 Uhr, im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) in Leipzig, Simsonplatz 1, über das Rechtsmittel der Angeklagten verhandeln. Eine Entscheidung soll entweder am 6. oder am 20. August 2024, 10 Uhr, am selben Ort verkündet werden.

Vorinstanz:

LG Itzehoe - Urteil vom 20. Dezember 2022 - 3 KLs 315 Js 15865/16 jug.

Karlsruhe, den 13. März 2024

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 18. September 2024, 9.00 Uhr, in der Sache IV ZR 436/22 (Wirksamkeit von Regelungen zur Beteiligung des Versicherungsnehmers an Überschüssen einer Rentenversicherung)

Datum: 18.09.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 18. September 2024 über Fragen der Überschussbeteiligung in einer Rentenversicherung verhandeln. Zudem streiten die Parteien über die Wirksamkeit diverser Regelungen in den vom Versicherer verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger, ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verein, und der beklagte Versicherer streiten über die Ausgestaltung und Abwicklung von Rentenversicherungsverträgen in einem von der Beklagten angebotenen Tarif. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die von der Beklagten in diesem Tarif praktizierte Überschussbeteiligung. In ihr sieht er einen Verstoß gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV). Hintergrund ist, dass die Beklagte Versicherungsnehmern in dem Tarif eine höhere Überschussbeteiligung zuteilt als jenen, die zwischen Juli 1994 und Dezember 2016 in anderen Tarifen eine Rentenversicherung mit einem höheren Rechnungszins abgeschlossen haben.

Der Kläger macht geltend, aus § 6 MindZV ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten, die für die Bedienung der einzelnen Verträge mit den jeweils vereinbarten rechnungsmäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen und nur den verbleibenden Teil als Überschuss zu verwenden. Zudem sieht er den aufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 138 Abs. 2 VAG) durch die Praxis verletzt, bei der jährlichen Zuweisung der Überschüsse auf die überschussberechtigten Verträge den Versicherungsverträgen mit einem höheren Rechnungszins eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zuzuteilen als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.

Die Parteien streiten daneben über die Wirksamkeit diverser Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen, unter anderem über eine Regelung, nach der die Abschluss- und Verwaltungskosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, sowie über die Bestimmungen zum sog. Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte unter anderem zur Unterlassung der Verwendung von Teilen der Klauseln in den Versicherungsbedingungen zum Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung verurteilt. Die von der Beklagten praktizierte Beteiligung der Versicherungsverträge unterschiedlicher Tarifgenerationen an den Überschüssen hat es hingegen als wirksam angesehen und die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert und die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung weiterer Teilklauseln in den von ihr verwendeten Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungs-informationen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien sind erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln, mit denen sie - soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist - ihre jeweiligen Begehren weiterverfolgen.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart - Urteil vom 26. März 2020 - 11 O 214/18
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 3. Februar 2022 - 2 U 117/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
§ 153 Überschussbeteiligung

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; …
(2) 1Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. …

§ 169 Rückkaufswert


(3) 1Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelugen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. …

(5) 1Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. 2Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam.

Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
§ 138 Prämienkalkulation in der Lebensversicherung; Gleichbehandlung


(2) Bei gleichen Voraussetzungen dürfen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden.

Mindestzuführungsverordnung (MindZV)
(in der Fassung vom 19. Juli 2017, gültig bis 16. Juli 2020)
§ 6 Kapitalanlageergebnis

(1) 1Die Mindestzuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung in Abhängigkeit von den Kapitalerträgen für die überschussberechtigten Versicherungsverträge beträgt 90 Prozent der nach § 3 Absatz 1 anzurechnenden Kapitalerträge abzüglich der rechnungsmäßigen Zinsen ohne die anteilig auf die überschussberechtigten Versicherungsverträge entfallenden Zinsen auf die Pensionsrückstellungen …

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 8. Oktober 2024 um 10.30 Uhr in Sachen VI ZR 7/24 und VI ZR 22/24 (Ansprüche im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall beim sozialen Netzwerk Facebook, sog. Scraping)

Datum: 08.10.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus der Datenschutz-Grundverordnung zuständige VI. Zivilsenat verhandelt am 8. Oktober 2024 über zwei Revisionen, in denen sich die Frage stellt, welche Ansprüche Betroffenen zustehen, deren Daten im Rahmen eines sog. Scrapings von unbekannten Dritten erlangt und im Internet verbreitet wurden.

VI ZR 22/24

Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk Facebook. Anfang April 2021 wurden Daten von ca. 533 Millionen Facebook-Nutzern aus 106 Ländern im Internet öffentlich verbreitet. Unbekannte Dritte hatten sich zuvor den Umstand zu Nutze gemacht, dass die Beklagte es in Abhängigkeit von den Suchbarkeits-Einstellungen des jeweiligen Nutzers ermöglicht, dass dessen Facebook-Profil mithilfe seiner Telefonnummer gefunden werden kann. Die unbekannten Dritten luden mit Hilfe automatisierter Tools über die Kontakt-Import-Funktion der Beklagten in großem Umfang Telefonnummern hoch, führten diese, sofern sie mit einem Nutzerkonto verknüpft waren, mit den dort verbundenen öffentlich zugänglichen Daten zusammen und griffen diese Daten sodann ab (sog. Scraping).

Von diesem Scraping-Vorfall waren auch Daten des Klägers (Nutzer-ID, Vor- und Nachname, Land und Geschlecht) betroffen, die auf diese Weise auch mit dessen Telefonnummer verknüpft wurden. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um eine Ausnutzung der Kontakt-Tools zu verhindern. Ihm stehe wegen des erlittenen Ärgers und des Kontrollverlusts über seine Daten Ersatz für immaterielle Schäden zu. Er habe Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen erlitten. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm in diesem Zusammenhang auch alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch. Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche abgelehnt, weil weder ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vorliege noch dem Kläger ein kausaler Schaden entstanden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten entstanden sind und/oder noch entstehen werden. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Im Umfang der Berufungszurückweisung verfolgt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seine ursprünglich geltend gemachten Ansprüche weiter.

VI ZR 7/24

In dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Fall macht ein weiterer Kläger geltend, im Rahmen seiner Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook seien durch unbekannte Dritte im Wege des Scrapings persönliche Daten (Telefonnummer, Facebook-ID, Name, Wohnort, Land und Arbeitgeber) abgeschöpft und im Darknet veröffentlicht worden. Er begehrt den Ersatz immateriellen Schadens, weil die Beklagte in mehrfacher Hinsicht gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen und seine Daten nicht ausreichend geschützt habe. Er habe einen erheblichen Kontrollverlust über seine Daten erlitten und verbleibe in einem Zustand großen Unwohlseins und großer Sorge über den Missbrauch seiner Daten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm in diesem Zusammenhang alle künftigen Schäden zu ersetzen, und macht weitere Unterlassungs- und Auskunftsansprüche geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

VI ZR 22/24

LG Heilbronn - Urteil vom 3. März 2023 - 1 O 27/22
OLG Stuttgart - Urteil vom 13. Dezember 2023 - 4 U 51/23

VI ZR 7/24

LG Köln - Urteil vom 31. Mai 2023 - 28 O 138/22
OLG Köln - Urteil vom 7. Dezember 2023 - 15 U 108/23

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Auskunftsrecht der betroffenen Person

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
(…)
c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
(…)

Artikel 17 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
b) Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
e) Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.
f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.
(2) Hat der Verantwortliche die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gemäß Absatz 1 zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass eine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt hat.
(…)

Artikel 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
(2) Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Ein Auftragsverarbeiter haftet für den durch eine Verarbeitung verursachten Schaden nur dann, wenn er seinen speziell den Auftragsverarbeitern auferlegten Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachgekommen ist oder unter Nichtbeachtung der rechtmäßig erteilten Anweisungen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder gegen diese Anweisungen gehandelt hat.
(…)

§ 823 BGB - Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 1004 BGB - Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

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Aufnahmen von der Entscheidungsverkündung

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